Außenfassade der Elbphilharmonie in Hamburg
13.08.2014

Gesang aus sechs Metern Höhe..

Sie ist blutrot gekleidet, hat eine wilde Struppelmähne und an ihrem Rockzipfel hängen Männer und Frauen. Elektra, die zehn Meter hohen Stahlfigur, ist der Höhepunkt des europäischen Kulturhauptstadtjahres in Umeå 2014.

Britta Amft hat die Bühnenskizze von Elektra hervorgeholt. Die Produzentin der Oper fährt mit dem Zeigefinger über einen virtuellen Spielplatz im Freien. Ein altes Militärgebiet in der Stadt, das von Häusern umgeben ist, wird zur Open-Air-Bühne.   

„Die eigentliche Bühne sieht so aus, dass wir einen gigantischen Körper gestalten, der hundert Meter lang ist, der das Grab von dem König Agamemnon symbolisieren soll, der ermordet worden ist, von Elektras Mutter und ihrem Geliebten. Dieses Geschehen legt den Grund für das Geschehen in der Oper.“

Die Oper behandelt die blutrünstige Geschichte um Elektra, die den Tod ihres Vaters, König Agamemnon rächt. Eine wahrhaft europäische Darbietung mit Figuren aus der griechischen Mythologie, einer spanischen Theatertruppe, aufgeführt in Nordeuropa. La Fura Dels Baus aus Barcelona setzt bei der Inszenierung auf die vier Elemente Feuer, Wasser, Licht und Erde. Regisseur Carlus Padrissa hat sich vor allem von den speziellen Lichtverhältnissen in Umeå beeindrucken lassen, sagt Britta Amft.

„Das Licht hier oben ist ganz ganz toll. Wir sind ja sehr weit im Norden, das heißt wir haben sehr sehr lange Sommernächte. Es wird eigentlich fast gar nicht richtig dunkel. Fast - es wird schon dunkel, aber die Sonne geht sehr langsam unter. Gerade auf diesem Spielplatz ein ganz tolles Phänomen, das auch das Publikum während der Vorstellung hier auf dem Platz beobachten kann.“

Es ist eine archaische Umsetzung, in der tausende Liter Theaterblut fließen werden und in der Birken, das Symbol von Umeå, nicht fehlen dürfen. Sie symbolisieren einen toten Wald. An der Stirnseite des einhundert Meter langen Spielplatzes können 2000 Zuschauer das Geschehen auf einer Tribüne verfolgen. Beste Sicht auf die übergroβen Hauptdarsteller, sagt Britta Amft.  

„Die zwei Hauptrollen, Elektra und ihre Schwester Chrysothemis, werden doppelt gestaltet. Einmal in der Form von gigantischen Puppen, die 8 m hoch sind und an Kränen hängen und in diesen Puppen, die auch volles Kostüm haben, gigantische Kostüme, haben wir sozusagen eine Miniatur von diesen gigantischen Puppen in Form von den richtigen Sängern, die genauso gekleidet sind und in Körben auf Magenhöhe der gigantischen Puppen stehen und aus 6 m Höhe singen werden.“

In den Nähateliers von Umeås Oper Norrlandsoperan, einem schlichten Holzgebäude am Rande der Innenstadt, werden unterdessen letzte Änderungen an den Kostümen vorgenommen. Emma Ohlsson zeigt die Ganzkörperanzüge der Statisten, einen hautfarbenen Stoff, auf den Brustwarzen und Schamhaare gedruckt sind.

„Das ist ein dehnbarer Stoff. Ich musste beim Nähen die Drucke der Gliedmassen etwas auseinander schneiden, damit sich die Sängerinnen bewegen können. Es sind Kostüme für Männer und Frauen, jeweils 33 Stück.“

Im Produktionsordner sind alle Einzelheiten genau verzeichnet. Anna Eliasson leitet die Herstellung der Kostüme. In ihrer Kleiderkammer hängen mehrere Dutzend Neoprenanzüge auf der Stange.

„Diese Anzüge werden alle Darsteller unter ihren Kostümen tragen. Es ist ein später Sommerabend in Umeå, da ist es nicht besonders warm. Außerdem wird Wasser auf der Bühne eingesetzt, Feuer, Rauch und Schaum.  Damit sich die Darsteller warm halten, ziehen sie die Neoprenanzüge an. Allerdings darf es auch nicht zu warm werden. Wir haben die dünnere Variante eingekauft.“

Anna Eliasson hat bereits Experimente gemacht, wie sich das Theaterblut, das groβzügig zum Einsatz kommt, unproblematisch wieder herauswaschen lässt. Ihre Arbeitszeit wird in der Aufführungszeit von fünf Uhr nachmittags bis zwei Uhr Nachts liegen, um alles wieder in den sauberen Ursprungszustand zurückzuversetzen. Und überhaupt. Elektra ist eine Produktion mit besonderen Herausforderungen, sagt Anna Eliasson.

„Für die Figur des Orest haben wir feuerfeste Anzüge aus China. Er wird von einer überdimensionalen brennenden Figur dargestellt, die einen Feuerschweif hinter sich herzieht. In der Figur stehen Statisten und die Theatergruppe La Fura dels Baus nimmt die Auflagen des Brandschutzes sehr genau. Wir haben also zum ersten Mal nach sicheren Brandschutzanzügen gesucht. Und sie schlieβlich im fernen Osten bestellt, um unser Budget nicht zu sprengen.“

Schließlich ist es die größte Produktion, die an dem kleinen Opernhaus im dünnbesiedelten Norden Schwedens jemals gemacht wurde. Britta Amft hofft nun, dass sie nicht nur die Touristen des europäischen Kulturhauptstadtjahres anzieht, sondern darüber hinaus auch in den kommenden Jahren Menschen auf „Norrlandsoperan“ aufmerksam macht, sagt die Produzentin der Elektrainszenierung:

„Dieses Jahr bringt sehr sehr viele kulturelle Erlebnisse, die sehr ungewöhnlich sind und sehr viel Kreativität, die flieβt zur Zeit in der Stadt. Die schon immer flieβt, aber die jetzt eine viel gröβere Möglichkeit hat, zu agieren. Die Idee mit 2014 und dem Kulturhauptstadtsjahr war von vornherein so gewesen, dass wir positive Effekte mit ins nächste Jahr und in die Zukunft nehmen.“


Ein Beitrag für WDR3 – Redaktion Mosaik


Foto: Das neue Kulturhaus Väven © Agnes Bührig


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Elektra in Umeå
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Agnes Bührig, freie Autorin mit Berichtsgebiet Niedersachsen und Nordeuropa. Berichte, Reportagen und Features über Kultur und Gesellschaft, Podcast und Moderation..

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