Außenfassade der Elbphilharmonie in Hamburg
25.08.2023

Tempo. Tempo! Tempo? Drei Museen, drei Geschwindigkeiten

Was hat ein Bugatti Veyron 16.4 Super Sport mit dem 200 Jahre alten Bild eines schmelzenden Gletschers und einem Foto von einem Autobahngewirr durch eine Millionenstadt zu tun? Sie alle sind Teil einer Kooperationsausstellung zum Thema Geschwindigkeit. Zu sehen in drei Museen in Niedersachsen bis zum 9. Februar 2024. 

Auf dem Weg zur Ausstellung im Landesmuseum Hannover steht ein ungewöhnliche Exponat auf halber Treppe: Eine BMW R 51/3 aus den 1950er Jahren, getuned von einem privaten Rennfahrer mit selbst gebautem Tank, aufgeklebter Startnummer und frisierten Zylinderköpfen. Die Maschine stammt aus dem „P.S.Speicher“ in Einbeck, eine gute Autostunde südlich von Hannover, Europas größtem Oldtimermuseum. Tempo meint da vor allem Schnelligkeit, sagt Ausstellungsleiter Sascha Fillies:

"Wir haben einen echten Starfighter quasi vor der Haustür stehen. Das ist eine Lockheed F-104 und das war damals das schnellste Flugzeug, das Flugzeug, das am höchsten fliegen konnte und das Flugzeug mit der höchsten Steigrate. Wir zeigen auch einen Raumanzug ausgestellt. Getragen wurde er in einem Space Shuttle, das mit 24.000 km/h durch den Weltraum fliegt. Die Leute, die diesen Anzug an hatten, waren definitiv zu der Zeit die schnellsten Menschen der Welt."

Schnelle Maschinen in Einbeck, moderne Kunst zum Thema Geschwindigkeit in Derneburg und kultur- und naturgeschichtliche Exponate in Hannover – jedes der drei Häuser hat seinen Schwerpunkt, zeigt aber auch Ausstellungsstücke der jeweils anderen Häuser. In Hannover ist aus dem Kunstmuseum Schloss Derneburg etwa Sexometry von 1992 zu sehen, das unsere schnelllebige Zeit verkörpert: Grafiken von Autos und Reifen überlagern sich da, Konturen eines Kampfflugzeugs neben bunt kolorierten Flächen, sagt Kurator Alexander Haviland:

"Das ist Kenny Scharf, das ist ein wichtiger Künstler der Sammlung und das ist ein perfektes Thema für diesen Künstler, das heißt das Tempo des modernen Lebens: Die Autos, dieses Gefühl von Stress, dieses Tempo, dieses schnelle Tempo von zeitgenössischer Gesellschaft und unser Leben, all das ist hier zusammen." 

Einen ungewöhnlichen Blick aufs Tempo vermitteln die Exponate im Landesmuseum Hannover. Neben einer präparierten Riesenschildkröte aus der naturkundlichen Sammlung steht „35 km/h“ und erinnert daran, wie schnell sich die riesigen Tiere im Wasser fortbewegen. Ein Foto des Schweizer Rosenlaui-Gletschers von 2014 wird mit einem Ölgemälde aus der Kunstsammlung des Hauses von 1853 kontrastiert und zeigt so die rasante Gletscher-Schmelze. Und auch ein Porzellanapfel aus dem 19. Jahrhunderts hat mit Geschwindigkeit zu tun, sagt die Direktorin des Landesmuseums Hannover, Katja Lembke, unerwartet: 

"Weil er eigentlich erst einmal ganz unscheinbar daherkommt, tatsächlich aber bahnbrechend war für eine physikalische Idee von Isaac Newton, der nämlich 1660 im Garten saß und dabei einen Apfel fallen sah und auf diese Weise auf die Idee gekommen ist, sich zu überlegen: wieso fällt der Apfel eigentlich nach unten? Warum nicht zur Seite oder nach oben? Und das war der Beginn des Gravitationsgesetzes."

Natur- und Kulturgeschichte treffen im Landesmuseum Hannover in ungewöhnlicher Weise aufeinander, mit einer Vielzahl von Exponaten quer durch die Zeit: Von der Geschwindigkeit im Kampf auf Ölgemälden über den Wettkampf in Form von alten Speeren und historischen Wettkampf-Medaillen bis hin zur Industrialisierung. Eine umfassende Betrachtung aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln.


Beitrag für NDR Kultur am 8. Juni 2023


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Landesmuseum Hannover, Kunstmuseum Schloss Derneburg und PS.Speicher Einbeck kooperieren

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Agnes Bührig, freie Autorin mit Berichtsgebiet Niedersachsen und Nordeuropa. Berichte, Reportagen und Features über Kultur und Gesellschaft, Podcast und Moderation..

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