Außenfassade der Elbphilharmonie in Hamburg
21.03.2022

Mit guter Laune Barrieren einreißen - Buchempfehlung zum Welt-Down-Syndrom-Tag

Wie kann man Hemmschwellen und Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderung abbauen und dabei noch Spaß haben? Indem man Prominente mit jungen Leuten mit Down-Syndrom zusammenbringt und die Begegnungen in Bild und Text festhält. Das dachten sich eine Fotografin aus Berlin und eine Journalistin aus Hannover und arrangierten zwei Dutzend derartige Treffen. "Glückstreffen" haben sie ihr Buch genannt. 

Ein junger Mann mit Down-Syndrom, selbstbewusst fotografiert in James-Bond-Manier - lässiger Hut, konzentrierter Blick, die Hände zur Pistole verschränkt. Rücken an Rücken steht er mit Musikproduzent Mousse T. aus Hannover vor der Kamera. Auch die Klarinettistin Sharon Kam und Fürst Alexander zu Schaumburg-Lippe sind dabei. Die insgesamt 24 munteren Treffen dokumentierte Franziska Berentin im Bild, Sabine Buntrock schrieb den Text dazu:

"Wir haben gedacht, was können wir denn eigentlich mal Lockeres mit unseren Kompetenzen machen, um zu sagen, hey, hab keine Angst vor Behinderung. Das ist gar nicht schlimm. Ihr braucht keine Berührungsängste zu haben. Und da haben wir gedacht, wie können wir unsere Kompetenzen vereinen? Und haben wir gesagt Foto, Bildband, Storytelling-Band rund ums Down-Syndrom. Und wie bekommt man eine große Aufmerksamkeit von Menschen, die so nichts mit Behinderung zu tun haben, ja über Promis."

Die Macherinnen haben beide Kinder, die mit dem Down-Syndrom geboren wurden. Der Bildband vermittelt, dass das nicht nur Menschen mit einer Behinderung sind sondern Individuen mit zum Teil sehr speziellen Fähigkeiten. Ein Hobby-Tänzer ist darunter, ein Digeridoo-Spieler und eine Ballett-Elevin. SirBromaster nennt sich der Hannoveraner, der Mousse T. traf. Erste Musikvideos hat er schon veröffentlicht. 

„Coronasong“ heißt der Rap des 25-Jährigen, in dem er über seine Erfahrungen mit dem Lockdown reflektiert. Vier Ordner mit Texten hat er schon im Regal, da kam das Treffen mit Mousse T. fürs Buch gerade Recht:

"Das bedeutet mir viel, das Buch. Ich habe Mousse T. getroffen und ich denke schon, dass es meiner Karriere weiterhelfen wird, mit Mousse T. weiterhin auch zu arbeiten. In Zeiten von Corona ist es ein bisschen schwierig, mit ihm zu arbeiten, aber ansonsten hat mich das inspiriert, das Buch."

Und so sind viele Treffen auch erste Kontakte in ein Berufsleben fern der Behindertenwerkstatt. Etwa wenn Tim Alberti, derzeit Schüler an einem inklusiven Theaterstudio Barbara Wussow treffen kann oder Konstantin Wecker auf den Hobby-Flötisten Elias Leppler trifft. Für etliche der Prominenten ist es nicht das erste Mal, dass sie einen Menschen mit Down-Syndrom treffen. Wie wichtig es ist, seine Vorurteile über diese Form der Behinderung an der Realität zu überprüfen, beobachtet Sabine Buntrock immer wieder:

"Ich habe auch ein ganz schönes Beispiel aus unserer inklusiven Grundschule, in die meine Tochter gegangen ist. Da gab es große Befürchtungen eines Großvaters, der seinen Enkel in der Klasse hatte, der nicht behindert ist, und er hatte große Bedenken, hat gesagt, so eine inklusive Klasse wie soll das funktionieren? Als er dann live immer wieder in einer Klasse zu Gast war und Lese-Opa war, da war er der größte Befürworter der inklusiven Beschulung und macht heute überall Werbung dafür."


Ein Beitrag für NDR Kultur - Februar 2022


 


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Glückstreffen – Promis, Down-Syndrom und der ganz normale Wahnsinn
SirBromaster trifft Mousse T. Foto: Franziska Berentin
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Agnes Bührig, freie Autorin mit Berichtsgebiet Niedersachsen und Nordeuropa. Berichte, Reportagen und Features über Kultur und Gesellschaft, Podcast und Moderation..

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