Kunstfestspiele Herrenhausen 2018
26.02.2021

Marco Goeckes erste Uraufführung an der Staatsoper Hannover

Es war schon vor seinem Amtsantritt als Ballettchef an der Staatsoper Hannover 2019 geplant, nach dem dritten Probenanlauf ist es für den 27. Februar 2021 auf der digitalen Bühne vorgesehen: das erst abendfüllende Ballett von Marco Goecke für Hannover, frei nach dem Roman „Der Liebhaber“ der französischen Schriftstellerin Marguerite Duras.

Indochina zu Zeiten der französischen Kolonialzeit in den 1930er Jahren. Auf der Fahrt über den Fluß Mekong treffen sich zwei, die sich nicht treffen dürfen. Sie eine 15-Jährige, Schülerin eines französischen Gymnasiums, er der Sohn eines reichen Geschäftsmannes aus einer traditionellen chinesischen Familie. Das aufgeladene Flirren einer verbotenen Liebe liegt in der Luft. „Der Liebhaber“, ein Stoff, der den Choreographen Marco Goecke schon in seiner Jugend beeindruckt hat:

"Duras hat mich immer fasziniert, als Schriftstellerin. Irgendwas in ihrem Werk ist für mich ähnlich umkreisend wie der Tanz. Das ist so ungreifbar auf eine Art. Die Zusammensetzung ihrer Sätze, die irgendwie ein Gefühl hinterlassen. Aber auf eine ganz diffuse Art. Hauptsätze so klar in ihren Ansagen und diese Hauptsätze, die schlagen auch so ein Gefühl raus."

Auf der Bühne ist es weites Wasser, das Boden und Hintergrund bedeckt. Sich brechende Wellen in ockerfarben bis dunkelgrau, die an ein impressionistisches Gemälde erinnern. Davor die Tänzer in dunklen, asiatisch anmutenden Einheitsuniformen. Die Bewegungen synchronisiert, die Hände krallen-gleich gespreizt, Körper in der Marco Goecke eigenen energetischen Bewegungssprache. Einer von ihnen ist der gebürtige Luxemburger Louis Steinmetz, der schon in der Patti-Smith-Hommage „Thin Skin“ und zuletzt in „Kiss a Crowe“ von Marco Goecke getanzt hat:

"Ich würde sagen, es ist etwas ganz anderes. Die anderen Stücke, das waren immer eher abstrakte Stücke, wo man ein bisschen mehr vielleicht Individualität und Persönlichkeit und ich selbst von mir verschiedene Seiten zeigen konnte. Und hier ist es mehr Charakterarbeit. Ich habe einen Charakter und ich sollte in der Beschreibung des Charakters bleiben. Ich spiele nicht mich selbst, ich spiele jemand anderen, ich tanze jemand anderen."  

Es geht dem Ensemble immer noch darum, sich kennen zu lernen, aneinander heranzutasten – von beiden Seiten – schließlich ist es coronabedingt schon der dritte Anlauf in eineinhalb Jahren, das Ballett gemeinsam zu erschaffen. Mehrfach die Woche werden die Tänzer*innen auf das Virus getestet, es gelten passgenau ausgearbeitete Hygienevorschriften. Doch schwerer wiegt für Marco Goecke, dass der Abstand auch das erschwert, was der 48-Jährige mit seinem Start als Ballettdirektor an der Staatsoper Hannover in der vorletzten Spielzeit verbunden hat:

"Der Wunschgedanke, überhaupt so eine Kompagnie zu haben, war, dass man intensiver arbeiten kann. Wenn ich irgendwo anders zu Gast bin und ein Stück mache, da ist es oft ganz schwer, auch Schwächen zuzugeben oder Momente zuzugeben, wo ich nicht weiter weiß. Und mein Wunsch war, das in einer Gruppe möglich zu machen, auch zu sagen: Ich weiß jetzt nicht mehr weiter. Und da sind wir jetzt ein Schrittchen weiter, ein Schrittchen."

Die Ich-Erzählerin aus „Der Liebhaber“ steht im Roman am Ende vor der Weite des Ozeans, Projektionsfläche für Erinnerungen und Träume. Die Rückkehr der Familie nach Frankreich steht kurz bevor. Ob es im Ballett auch so endet?


NDR Kultur


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Foto: Staatsoper Hannover, Ralf Mohr
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Agnes Bührig, freie Autorin mit Berichtsgebiet Niedersachsen und Nordeuropa. Berichte, Reportagen und Features über Kultur und Gesellschaft, Podcast und Moderation..

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