Kunstfestspiele Herrenhausen 2018
22.03.2021

Noch bis 11. April: Hilma af Klint, Moderna Museet Malmö..

Muss die Kunstgeschichte neu geschrieben werden? Darüber stritten Kunsthistoriker, als bekannt wurde, dass das Moderne Museum in Stockholm 2013 eine Einzelausstellung der Malerin Hilma af Klint plant. Bis zum 11. April 2021 sind die Werke im Moderna Museet in Malmö zu sehen, anbei mein Bericht von 2013 und eine Aussage von Kuratorin Iris Müller-Westermann zum Nachhören. 

Bereits 1906 malte die Schwedin eine erste Serie abstrakter Bilder - mithin fünf Jahre vor Kandinsky, der stets als Pionier auf diesem Gebiet galt. Durch die Schau 2013 im Moderna Museet in Stockholm erfuhr Hilma af Klint erstmals die Würdigung, die ihrem umfangreichen Werk mit über 1000 Bildern und Zeichnungen angemessen war:   

Ausstellungseröffnung im Modernen Museum in Stockholm. Museumsdirektor Daniel Birnbaum steht vor einer Reihe mehrere Meter hoher Gemälde, die in bunten warmen Farben gehalten sind und auf denen sich riesige Kreise, Schnecken und ineinander verschlungene Schriftzeichen finden. Sie stammen aus dem Jahre 1907, einer Schaffensperiode, in der Hilma af Klint abstrakt malte. Dass ihr umfangreiches Oeuvre bis heute noch keinem größeren Publikum zugänglich gemacht wurde, dafür hat Daniel Birnbaum eine Erklärung:

„Man wusste vielleicht einfach zu wenig über ihr Werk. Es lag gut verstaut in Kisten. Zunächst existierte Hilma af Klint nur als Gerücht. Es gab nur einen schwedischen Kunsthistoriker, der sich ernsthaft und akademisch für sie interessierte und ein großes Werk über sie schrieb. Dazu kam, dass Hilma af Klint nicht wollte, dass ihre abstrakten Bilder in den ersten 20 Jahren nach ihrem Tod gezeigt werden. Das hat die Rezeption auch verzögert.“

Hilma af Klint wird 1862 in eine adlige Familie in Stockholm geboren, der Vater ist Marineoffizier. Sie gehört zur ersten Generation von Frauen, die Ende des 19. Jahrhunderts an der Kunstakademie der Hauptstadt Malerei studiert. Nach dem Abschluss findet sie zunächst als Portrait- und Landschaftsmalerin ihr Auskommen. Gleichzeitig ist sie offen für Spiritismus und Okkultismus, dem Kontakt mit dem Übersinnlichen. Es sind die Strömungen der damaligen Zeit, die sie beeinflussen, sagt die Ausstellungskuratorin Iris Müller-Westermann:

„Es gab ein großes Interesse an nicht sichtbaren Phänomenen und Entdeckungen, die überhaupt nicht mehr im sichtbaren Bereich lagen.  Wenn Sie an die Röntgenstrahlen denken, mit denen konnte man plötzlich die Knochen im Körper sehen. Oder mit Heinrich Hertz elektromagnetischen Wellen konnte man plötzlich von einem Sender Wellen übertragen auf einen Empfänger und telegraphieren. Sie hat in einer Zeit gearbeitet, wo sowohl die Wissenschaft wie auch Künstler sich abwendeten von einer sichtbaren Wirklichkeit. Und versuchten, die größeren Zusammenhänge zu verstehen.“

Als Symbol für das Übersinnliche nutzt Hilma af Klint den Schwan, die Spirale steht für die Weiterentwicklung. Die Farben blau und gelb markieren das weibliche und das männliche Prinzip. Im Bild Nummer vier aus der Serie „Die Evolution“ aus dem Jahre 1908 überlagern sich die Konturen von Schnecken in blau und gelb. Links und rechts sind eine Männer- und eine Frauengestalt zu sehen, die eine denkend, die andere fühlend. Zusammen bilden sie eine Ganzheit, sagt Iris Müller-Westermann:

„Hilma af Klint spricht oft davon, dass das weibliche Herangehen an das Weltverständnis, das ist die Intuition und eine männliche Herangehensweise ist das Intellektuelle. Und dieses Spiel zwischen den Polen des Männlichen und Weiblichen, oder Tag und Nacht oder dunkel und licht, in diesem Spannungsfeld spielt sich sozusagen die Evolution ab. Und da gibt es viele Bilder, die davon handeln in unterschiedlichen Phasen.“  

Hilma af Klint war überzeugt von ihren abstrakten Bildern. Sie stellte sie jedoch nicht aus, weil sie die Zeit noch nicht für reif genug dafür befand. Erst 20 Jahre nach ihrem Tod sollten sie gezeigt werden, befand sie selbst. Antworten auf die Frage, welchen Einfluss ihr Werk national und international ausübt, werden daher erst jetzt kommen, sagt Daniel Birnbaum. Dabei sei unerheblich, ob sie früher als Kandinsky abstrakt gemalt hat oder nicht, so der Direktor von Moderna Museet:

„Ich glaube, es geht um eine Ergänzung, das 20. Jahrhundert zu verstehen, nicht darum, andere auszuschließen. Wir können feststellen, dass Hilma af Klint mit ihrem Interesse für die Anthroposophie noch vor Kandinsky abstrakte Bildwelten malte. In ihren Werken aus den Jahren 1905, 06 oder 07 versuchte sie das abzubilden, was man nicht sieht. Das war abstrakt, wie sollte es auch sonst gehen. Was das bedeutet, das werden wir jetzt sehen.“


ORF, Ö1, 18.02.2013


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..aus dem Archiv Hilma af Klint - Bericht zur Ausstellung 2013 in Stockholm, Moderna Museet
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