Skyline von Oslo im Werden
27.04.2020

Zum Tod von Per Olov Enquist

Er war einer der erfolgreichsten Schriftsteller Schwedens, in Deutschland bekannt etwa für seine Romane „Kapitän Nemos Bibliothek“ und „Der Besuch des Leibarztes“: Per Olov Enquist. Jetzt ist der Autor und Journalist im Alter von 85 Jahren nach längerer Krankheit in Vaxholm bei Stockholm gestorben.

Per Olov Enquist erinnert sich im schwedischen Rundfunk an seine Reisen in die baltischen Länder in den 1960er Jahren. Bibeln hätte es in den Hotelzimmern der Sowjetrepubliken damals nicht gegeben, bemerkt der Sohn einer frommen Mutter aus dem Norden Schwedens lakonisch.

Ich bin 1934 in Hjoggböle geboren und aufgewachsen, tausend Kilometer Nord von Stockholm. Das ist ein Bauerndorf. Die Leute da sind Kleinbauern, die haben zwei bis zu fünf Kühe. Und die meisten von die Männer arbeitet im Wald. Mein Vater war Waldarbeiter und meine Mutter war die Dorflehrerin.

Kein Wunder, dass der Sohn zu schreiben beginnt. Nach dem Studium der Literaturwissenschaft in Uppsala arbeitet er zunächst journalistisch, veröffentlicht 1961 seinen ersten Roman. Mit „Die Ausgelieferten“ löst er 1968 eine große Gesellschaftsdebatte aus. In dem dokumentarischen Roman hat er das Schicksal von 167 Soldaten aus den baltischen Ländern recherchiert, die für die Wehrmacht kämpften, in Schweden Schutz suchten, von dort an die Sowjetunion ausgeliefert wurden.

Es sollte nicht der letzte dokumentarische Roman werden. Mit „Der Besuch des Leibarztes“ beleuchtet Per Olov Enquist das Leben des deutschen Aufklärers Struensee am dänischen Hof – und schreibt auch selbst das Libretto für die Uraufführung des Stoffes an der Oper Kopenhagen 2009, eine durchaus neue Erfahrung. Per Olov Enquist.

Ich glaube, man könnte das Roman lesen wie einen allgemeinen historischen Roman, aber auch wie einen Liebesroman und ich habe versucht, die Grundlinie in meinem Roman zu finden mit Gefühle, also diese Liebesgeschichte im Zentrum von die Leibarzt.

Auch im „Buch von Blanche und Marie“ spielen Gefühle eine Rolle. Per Olov Enquist bringt die Nobelpreisträgerin in eine fiktive Liaison zu Blanche Wittman, der berühmtesten Hysteriepatientin Anfang des 20. Jahrhunderts. Seine eigenen Abgründe - etwa seine zeitweise Alkoholabhängigkeit – verarbeitet er 2008 in seinem autobiographischen Roman „Ein anderes Leben“. Im schwedischen Rundfunk berichtet er im Jahr darauf freimütig von weiteren Plagen seines Schriftstellerlebens.

Mein Beruf unterscheidet sich von den meisten anderen. Weil man manchmal kann und manchmal nicht, hat diese bizarre Profession fast etwas Sexuelles oder Religiöses an sich. Anders als ein Erfinder, der ein Problem löst, muss man als Schriftsteller damit leben, dass man nicht weiß, was man erfinden soll. Es bedarf einer gehörigen Portion Überlebenskunst, sich in einem solchen leeren Raum aufzuhalten.

Eine Leerstelle wird Per Olov Enquist jetzt selbst hinterlassen, seine ruhige wie engagierte Art und sein verbindliches wie warmherziges Wesen wird der schwedischen Literaturszene fehlen.


SWR 2 am Morgen


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Im April 2020 starb 85-jährig einer der erfolgreichsten Schriftsteller Schwedens
Bild von Dariusz Sankowski auf Pixabay
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Agnes Bührig, freie Autorin mit Berichtsgebiet Niedersachsen und Nordeuropa. Berichte, Reportagen und Features über Kultur und Gesellschaft, Podcast und Moderation..

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