Wohin mit ausladenden, künstlerischen Installationen, wenn die Ausstellung vorbei ist und das Werk nicht verkauft wurde? Eine Frage, die in Zeiten knappen wie teuren Wohnraums viele Künstlerinnen und Künstler umtreibt. Im Treppenhaus des Kunstvereins Hannover präsentiert der ungarische Künstler István Csákány nun eine skulpturale Antwort: „Haus ohne Adresse“ heißt das Werk in der Reihe "Stufen zur Kunst".
Es riecht nach Holz. In einem eckigen, hohen Raum führt eine Treppe hinauf, in ihrer Mitte ist eine schmale Skulptur emporgewachsen – Holz, Metallstreben, Dämmplatten – die Konstruktion erinnert an einen Bausatz - wären da nicht dezent platzierte blaue Quadrate und fünf Glühbirnen, die in unterschiedlichen Längen von der Decke hängen. Sie verleihen dem Ganzen etwas Künstlerisches.
Eine Zwitterhaftigkeit, die gewollt ist. István Csákány: "Für mich ging es um die Feststellung, dass die Werke ihre Rolle verlieren, wenn die Ausstellung zuende ist. Der Kontext, in dem sie entstanden sind, verschwindet. Meine Idee war, dass ein Werk, wenn es nicht mehr als Kunstwerk gefragt ist, in einer völlig anderen Lebensform weiterleben kann. In diesem Fall stellen Sie sich ein kleines Haus vor, und dieses kleine Haus ist praktisch ein Denkmal für das Werk selbst."
Später soll aus der Skulptur ein „Tiny House“ werden. Dass er gern handwerklich arbeitet, liegt ein Stück weit auch in der Herkunft des ungarischen Künstlers begründet. 1978 in Rumänien geboren, Studium an der Staatlichen Akademie der Künste in Budapest – im Osteuropa seiner Jugend sei das Bauen für ihn eine Lebensform gewesen.
Zudem hinterfragt Csákány mit seiner Skulptur die Arbeitsbedingungen von Künstlern. Oft müssen sie sich von einem Residenzprogramm zum nächsten hangeln, in wechselnden Behausungen. Kurator Christoph Platz-Gallus: "Ich finde den Ansatz sehr richtig, dass Künstler:innen zunehmend stark auch die eigenen Arbeits- und Produktionsbedingungen reflektieren. Das nämlich häufig Ausstellung, Präsentation Durchlauferhitzer sind, die ganz kurz Bühnenpräsenz bedeuten - nach wie vor in vielen Kontexten auch ohne Honorar, was hochproblematisch ist - und deswegen auch diese Debatte um ein Mindesthonorar."
Um diese Debatte in Hannover voranzutreiben, protestierte der Bund Bildender Künstlerinnen und Künstler, kurz BBK, vor einem halben Jahr vor dem Kunstverein Hannover. Es geht ihm um eine gerechtere Bezahlung staatlich geförderter, künstlerischer Projekte.
Die Zahlungen für Betriebskosten seien in Hannover erfreulicherweise gestiegen, doch viele Arbeiten, die neben der künstlerischen Arbeit bei einer Ausstellung anfallen, werden nicht ausreichend entlohnt, sagt Florian Fischer, Leiter des BBK Hannover: "Man berechnet zum Beispiel Gemälde nach der Fläche. Das ist ein internationaler Standard. Aber es gibt natürlich auch andere Arbeiten, die notwendig sind und die dann eben nicht honoriert werden. Wenn ich ein Projekt kalkuliere, eine große Ausstellung, dann muss ich unterschiedliche Stundensätze ansetzen: Für die Hilfskräfte weniger, für die Künstler und Kuratoren mehr, weil die alle einen Hochschulab-schluss haben. Aber das gehört auch zu meinem Job als Künstler dazu."
Dazu soll im Frühjahr in Hannover mit Vertretern staatlicher Förderprogramme weiterdiskutiert werden, sagt der Direktor des Kunstvereins Hannover, Christoph Platz-Gallus. In diesem Zusammenhang kann die Arbeit von István Csákány Denkanstöße geben – Die hat der Künstler schon häufiger geliefert: Auf der Documenta 13 baute er 2012 eine alte Nähstube akribisch in Holz nach, machte damit unsichtbare, auch künstlerische Arbeit sichtbar. Diesmal wird sein Werk wiederverwertet – es ist zugleich also auch ein Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit in der Kunst.
Beitrag für NDR Kultur
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