Kunstfestspiele Herrenhausen 2018
23.04.2023

Sprengel Museum: Aquarium im Zwischengeschoss

Schwitters Merzbau frisch versetzt, ein Aquarium und ein Ausstellungsraum zu Hannovers Kunstszene zur Zeit des Nationalsozialis-mus´ in zwei Zwischengeschossen und ein neuer Aktionsort zum Selber-Kunstmachen – so hat das Sprengel Museum sein Untergeschoss komplett neu sortiert. 

In 19 Räumen geht’s einmal quer durch die Geschichte der Abstraktion in der Kunst - vom Beginn des letzten Jahrhunderts bis heute. Das Kabinett der Abstrakten des russischen Avantgardisten El Lissitzky bildet dabei den Startpunkt. An zentrale Stelle des Rundgangs im Untergeschoss ist jetzt Kurt Schwitters Merzbau gewandert. Auf diese Weise wird seine Bedeutung für die gegenstandsfreie Kunst betont. Sie zeigte sich in den verschiedenen Epochen der Moderne ganz unterschiedlich, erklärt Kunsthistorikerin Isabel Schulz: 

"Da gab es eben Werke von Picasso und den Künstlern des Kubismus, die also die Fläche zergliedern und rhythmisieren. Und dann gibt es also Maler wie Nolde, der also mit der Farbe arbeitet und die auch ganz abstrakt werden, die Bilder, wo man eigentlich schon nicht mehr erkennt: wo hört das Meer auf und wo fängt der Himmel an? Also da geht es nur noch um die Farbe, mit der er das Meer darstellt. Also es gibt sehr, sehr viele, parallel schaffende Künstler in der Zeit, die sich alle von der Naturnachahmung abkehren."

 „Wege zur Abstraktion“ oder „Bilden statt Abbilden“ lauten Titel der Räume, die wichtige Epochen abstrakter Kunst beleuchten. Im Zwischengeschoss auf halber Höhe ist zudem eine Ausstellung zur Kunst in Hannover im Nationalsozialismus entstanden. In Texten und Dokumenten werden hier die Geschichten von Künstler:innen, Museumsdirektoren und Sammlern thematisiert - auf komplett verspiegelten Wänden. Wer sie liest, begegnet auch sich selbst, sagt Julius Osman, einer der Kuratoren:

"Wir wollten deutlich machen, dass der Blick auf die Geschichte immer vom Jetzt aus passiert. Wir selber schauen auf die Geschichte mit unserem Erleben, mit unseren Gedanken. Und so konnten wir gewährleisten, dass über den Kunstwerken und über der Schrift immer auch das eigene Abbild liegt, das sozusagen ganz klar dieser Reflektionsprozess immer, da ist."

Ebenfalls neu und in einem Zwischengeschoss des Sprengel Museums gelegen ist die Arbeit „Unter dem Strand“. Drei Jahre hat das Künstler-Duo Lindner & Steinbrenner aus Hannover den Alltag im Sprengel Museum beobachtet. Mit lebenden Fischen in einem überschaubaren, schwarz gemalten Raum in einem Aquarium führt es ihn ad absurdum. Denn wenn es sonst in einem Museum dunkel und wohltemperiert sein muss, um ein Werk zu konservieren, führen diese Eigenschaften hier dazu, dass eine Fischsorte ohne Augen höchst lebendig bleibt. Künstlerin Lotte Lindner:

"Über die Fische, die ja nicht sehen können, darüber nachzudenken, wie wir auf Kunst schauen. Also, wir stehen davor, wir gucken mit den Augen. Wir haben leider nicht die Möglichkeit, die Kunst anzufassen, weil es der Kunst schaden könnte. Wir haben kein Sonar wie eine Fledermaus, mit dem wir Oberflächen abtasten können. Aber das wäre unter Umständen sehr interessant."

Einmal selbst abstrakte Kunst zu erschaffen, dazu lädt ein neu eingerichteter Aktionsraum ein. Mit vorgegebenen, in Form und Farbe unterschiedlichen Elementen, lassen sich dort neue Werke erschaffen. Kunst hat eben mit Bewegung zu tun. Das zeigt auch Julius von Bismarcks Arbeit „One Solution Revolution“ von 2018: Drei breite Laufbänder, dicht nebeneinander stehend. Auch sie sind - wie der Titel der neuen Sammlungsausstellung - ein „Abenteuer Abstraktion“. Es ist eine Sammlungsausstellung, die überrascht und zum Mitmachen anregt.


Beitrag für NDR Kultur


 


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Sprengel Museum präsentiert Sammlungsausstellung
Unter dem Strand von Lindner & Steinbrenner
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Agnes Bührig, freie Autorin mit Berichtsgebiet Niedersachsen und Nordeuropa. Berichte, Reportagen und Features über Kultur und Gesellschaft, Podcast und Moderation..

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