Kunstfestspiele Herrenhausen 2018
29.03.2022

Sker - Cyber-Skulptur im Sprengel Museum

Drei Tonnen schwer, weit ausgreifender Gelenkarm, am Ende eine Spritzdüse für Holzgranulatpaste – das sind die Eigenschaften des Industrie-Roboters Swathi. Wenige Monate vor der internationalen Industriemesse „Hannover Messe“ arbeitet er an einer Skulptur. Aufwändig entwickelt und eigens programmiert, erschafft er im 3-D-Druckverfahren die 7,5 Meter lange und zwei Meter hohe Skulptur „Sker“ von Peter Lang. Als eines der ersten Museen zeigt das Sprengel Museum Hannover die komplexe Verzahnung von analoger und digitaler Kunstproduktion. 

In der geräumigen Einblickshalle des Sprengel Museums wächst ein ausladendes Skulpturenfeld aus dem Boden. Mit seinem Gelenkarm fährt Roboter Swathi immer wieder dieselben verschlungenen Linien ab, trägt Schicht für Schicht gefärbte Holzpaste auf. Von weitem erinnern die Außenflächen der Skulptur an Felsformationen, die Spuren von Ablagerungen aufweisen. Island, das Peter Lang drei Monate bereist hat, habe ihn zu Sker inspiriert, sagt der Künstler: 

"Island, das ist halt vulkanisch, also es sind auch Schichten, Lavaschichten und tektonische Bodenverwerfungen, zum Beispiel Vestmanna Islands. Und wenn man da um die ganze Insel reist, in alle Fjorde, an allen Klippen vorbei, an den hohen Felsabstürzen – das hat mich angetrieben; ganz klassisch, eine Natur- und Lichtbeobachtung und die dann im Metaverse, im virtuellen Raum umgesetzt."

Analoge Skizzen, digitaler Pinsel

Skizzen von Felsstrukturen, von Meer und Raum, die in der Ausstellung zu sehen sind, bilden die Grundlage für die virtuelle Arbeit. Peter Lang, geboren 1965 in Holzkirchen, interessieren unberührte Landschaften - in Chile, in den Alpen. Doch mit Sker entfernt sich der Maler und Druckgrafiker von der Natur. 600 Stunden lang hat er mit VR-Brille, einem Pointer als Pinsel und einer virtuellen Farbpalette verbracht, um jene Linien zu zeichnen, die der Roboter jetzt in bunter Paste übereinander schichtet: Der Zeichenprozess, eine Grenzerfahrung, sagt er: 

"Das Auge hat eine optische Realität. Aber der Körper, also die Füße, fühlen die Realität des Bodens. Ich kann ja durch diese optische Realität durchgehen oder da drüber fliegen oder den Standpunkt wechseln. Und da sagt das Auge immer ja, das ist real, und der Körper sagt immer, da stimmt was nicht."

230 Kilometer Strecke für zwei Meter Höhe

Und während sich das Publikum unter der VR-Brille in geometrische Welten beamen kann, lässt Roboter Iiwa Pigmente aus Röhren fallen, die wie Orgelpfeifen aussehen. Vermischt mit Holzpellets werden sie zur Paste, mit der Roboter Swathi die Außenhaut der Skulptur aufschichtet. 230 Kilometer Strecke wird er am Ende zurückgelegt haben. Eine Cyber-Plastik, die man analog nicht herstellen könnte, zumindest nicht mit diesem Werkstoff, sagt der Direktor des Sprengel Museums, Reinhard Spieler:

"Er arbeitet jetzt da mit Holz zum Beispiel, und das könnten Sie sonst nur schnitzen, weil Holz können Sie selber nicht additiv fertigen, also aufbauen wie jetzt mit Knetmasse oder Ton, sondern da müssten Sie es wegnehmen von einem Baumstamm. Und da kann man unmöglich so komplexe Formen schaffen. Und das ist schon  echtes Neuland. Und Sie können auch in Dimensionen arbeiten, die man eigentlich sonst nicht machen kann."

Es hat etwas Meditatives, Roboter Swahti beim 3-D-Drucken zuzusehen. Die Schichten in Grautönen, warmem Gelb und Rot erinnern tatsächlich an Gesteinsformationen, ihr gekräuselter Grundriss an organisch gewachsene Korallen. Ein Kunstwerk, das alle Altersgruppen in seinen Bann zieht und das zeigt, was möglich ist, wenn sich Wissenschaft, Technik und Kunst gegenseitig stimulieren.


Beitrag für NDR Kultur


 


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Industrieroboter druckt zwei Meter-Skulptur
Gewunden wie ein isländischer Fjord: Sker (Foto: Agnes Bührig)
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Agnes Bührig, freie Autorin mit Berichtsgebiet Niedersachsen und Nordeuropa. Berichte, Reportagen und Features über Kultur und Gesellschaft, Podcast und Moderation..

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