Skyline von Oslo im Werden
05.04.2013

Wanderin zwischen den Welten

Die neue Ministerpräsidentin Grönlands, Aleqa Hammond, hat keine einfache Aufgabe vor sich. Als Regierungschefin der dänischen Insel in Selbstverwaltung hat sie es sich zum Ziel gesetzt, die eigene nationale Identität zu stärken und die Unabhängigkeit von Dänemark voranzutreiben.

Pressekonferenz der neuen Koalition in Grönland. Aleqa Hammond - gelbe Jacke und Brille - präsentiert die Politik der kommenden vier Jahre. In Zusammenarbeit mit der bürgerlichen Partei Atassut und der neuen nationalistischen Partei Partii Inuit will die 47-jährige Sozialdemokratin ein Programm abarbeiten, das unter der Überschrift "Ein Land - ein Volk" steht:

"Die Stärkung unserer Sprache, der Ausbau des Bildungsbereichs, die Weiterentwicklung der Fischerei und des Rohstoffsektors - das sind die Themen, die wir uns vornehmen. Der grönländischen Gesellschaft sollen Abgaben zugutekommen, die Investoren direkt in die Staatskasse einzahlen. Wir wollen die Förderung von Uranerzen zulassen. Das alles soll jedoch mit Rücksicht auf Gesundheit, Natur und Umwelt geschehen."

Hammond gehört zu einer neuen Generation Sozialdemokraten und führt sie an. 2008, ein Jahr vor der letzten Wahl, war sie im Amt der Außenministerin zurückgetreten - ein Protest gegen die Seilschaften der alten Garde der Partei. Die Sozialdemokraten waren seit der Gründung der Selbstverwaltung 1979 ununterbrochen bis 2009 an der Macht. Der Rücktritt verschaffte Hammond Respekt und machte sie populär. Auch ihre Art, auf Menschen zuzugehen, brachte ihr Wählerstimmen. Während ihr Vorgänger Kuupik Kleist häufig in den Hauptstädten der Welt unterwegs war, um mit Investoren zu verhandeln, hörte sich Hammond in den entlegensten Winkel des Landes die Sorgen der Mitbürger an. Dabei ist sie in beiden Welten zu Hause:

"Ich bin aufgezogen ganz traditionell, ich komme aus einer Jägerfamilie. Normalerweise hätte ich einen Jäger heiraten sollen, aber ich wollte etwas anderes. Ich fühle, dass ich eine traditionelle Seite in mir habe. Ich muss denken wie eine stolze Grönländerin, wie ich selber eine bin. Aber auf der anderen Seite bin ich auch sehr europäisch aufgewachsen. Wir mussten Dänisch als zweite Sprache in der Schule lernen. Und deswegen ist es wichtig, dass wir beide Welten wichtig finden."

Hammond wächst in Ummanaq in Nordgrönland auf. Als sie sieben Jahre alt ist, stirbt ihr Vater bei der Jagd. Die Mutter ist mit drei kleinen Kindern allein, als älteste Tochter übernimmt Aleqa Hammond Verantwortung in der Familie. Mit 15 Jahren beschließt sie, die Welt zu bereisen, lernt fünf Sprachen und arbeitet später im Tourismus. 2005 wird sie in das Parlament der autonomen Selbstverwaltung gewählt, 2008 ist sie Finanz- und Außenministerin, 2009 übernimmt sie den Vorsitz der Sozialdemokraten. Die Unabhängigkeit ihres Landes verliert sie nie aus dem Blick. Denn Dänin - das ist sie nur auf dem Papier:

"Wann immer ich in Dänemark war, ich habe mich nie als Dänin gefühlt. Erstens sehe ich nicht aus wie eine Dänin, zweitens denke ich nicht wie eine Dänin, drittens fühle ich mich in Dänemark nicht so willkommen wie in Deutschland oder in den USA. Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl ist nie da gewesen und für mich ist es ganz natürlich, dass wir uns selbstständig machen."

Hammond ist mit dem Vorsatz angetreten, ausländischen Investoren höhere Abgaben abzuringen, wenn sie in Grönland Eisen, Gold oder Seltene Erden fördern. Kritiker werfen ihr deshalb vor, sie vertreibe internationale Unternehmen. Doch die Sozialdemokratin steht fest zu ihrem Entschluss. Die grönländischen Werte müssen verteidigt werden. Die Industrialisierung ihres Landes soll den Grönländern klare Vorteile bringen:

"Das neue Grönland darf nicht auf Kosten unserer Kultur gehen, auf Kosten der Fischer und Jäger. Unseren ausländischen Partnern sollten wir uns nicht anpassen. Wir sollten ihr Wissen vielmehr als Impuls verstehen, was zu guten Ergebnissen führen kann. Grönland hatte sich bereits an die neue Zeit angepasst. Doch von der Anpassung wird man nicht stärker. Im Gegenteil, man wird stärker, indem man zu dem steht, was man ist."

Audioversion: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/europaheute/2063835/
 


Ein Beitrag für Deutschlandfunk - Europa heute

Foto: © Agnes Bührig


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Die Sozialdemokratin Aleqa Hammond wird grönländische Ministerpräsidentin

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Agnes Bührig, freie Autorin mit Berichtsgebiet Niedersachsen und Nordeuropa. Berichte, Reportagen und Features über Kultur und Gesellschaft, Podcast und Moderation..

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